Wie wird man Superwerber, Tim Ringel?

“Ich bin eigentlich ein Performance-Marketing-Typ.” Wer bei dieser Berufsbeschreibung schon abschnallt, so wie Felix, der muss seinen Gurt heute extra festzurren. ROI. TKP. WPP. Leads. Brands. Pitches. Das gehört ebenso zum Vokabular dieser Folge von Wunderbar Together wie Brooklyn versus Pott, Menschen vs Vieh, und Geld vs Spaß. Und eine Weltpremiere: zum allersten Mal hosten wir unseren Gast gemeinsam in einem echten, nicht-virtuellen Studio, über den Dächern von Köln bei der Agentur OSK. Gänsehaut!

Seine Heimat beschreibt unser Gast, Werbeagentur-Star Tim Ringel, den New Yorkern so: “Duisburg is next to Düsseldorf, industrial. Think of London-Liverpool. We are Liverpool.” Er lebt heute in Brooklyn Heights, “gleich rüber über die Brücke”, mit seiner Frau und den zwei gemeinsamen Kindern. “Wir wollten vertical living, kein horizontal living. Spielsachen nicht auf dem selben Stockwerk wie der Schreibtisch. Das geht in Manhattan nicht.”

Die Stadt der Mad Men ist für ihn nach wie vor der beste Ort, um die Agenturwelt umzukrempeln: “In New York ist jeder erstmal offen. Das mag auch nicht so tief gehen, aber jeder führt erstmal eine Unterhaltung mit dir. Das hilft. Networking ist einfacher. Geschäfte bauen ist einfacher.”

Tim baut für sein Leben gern Geschäfte. Mit 11 bekommt er seinen ersten PC, und 1998 schiebt er mit seinem Kumpel Marco Ciachera die Rechner zusammen, “im Keller in Duisburg-Huckingen, neben der Sonnenbank. Wir haben gesagt ‘wir machen jetzt was im Internet’”. Mit 3-er Abi geht kein Informatik-Studium, aber das Wissen aus dem Informatik-LK, den sich die beiden erkämpft haben, reicht erstmal. Die beiden verkaufen kleinen Unternehmen Websites – und bald das wahrscheinlich erste Suchmaschinen-Marketing in Deutschland. Auf Fireball, Infoseek, Altavista, und ab Anfang der 2000er als einer der ersten Werbepartner von Google in Deutschland – “ für 75 Euro TKP”. (Das heißt Tausender-Kontakt-Preis.)

1999 gründete Tim dann mit einem Geschäftspartner die Agentur "Metapeople" – also mitten im ersten großen Internetboom. Wenig später stellen Tim und sein Geschäftspartner Marco Ciachera fast den gesamten Informatik-Leistungskurs ein und strecken ihre Firma wenig später über drei Etagen und 100+ Mitarbeiter. Sein Studium beendet Tim nicht. Stattdessen verkauft er 2011 seine Firma mit rund 150 Mitarbeitenden und zehn bis zwölf Millionen Euro Agenturumsatz an Netbooster (heute Artefact) nach Frankreich, führt die neue Besitzerfirma als CEO zu weiteren Höhen und zieht schließlich nach New York. 2016 verlässt er die Gruppe, weil er andere Vorstellungen als die Shareholder hatte. Nach kurzer Auszeit nimmt er den CEO-Posten der Agentur Reprise an. Als deutscher Chef versucht Tim gegen die örtliche Arbeitsweise anzukämpfen. “In den USA wird Arbeitskraft wie Vieh behandelt. Der Arbeitgeber zeigt keine Loyalität, der Arbeitnehmer auch nicht. Das ist die Kultur.” Kurz vor der Pandemie wird er Investor und CEO von Spring Studios, einer der bekanntesten Luxus-Agenturen der Welt. Doch die vergangenen zwei Jahre bringen ihn zum Umdenken. Jetzt steht der Launch seiner eigenen, neuen Agenturgruppe “meet the people” an, für die er 150 Millionen US-Dollar Investment eingesammelt hat. Deswegen nimmt er sich trotz vollem Kalender auch Zeit für das Interview. “Viele Leute melden sich auf Basis von Podcasts bei mir, gerade Gründer von Agenturen, die jetzt nach der Pandemie Guidance brauchen.”

Seine Zukunft sieht Tim für sich und seine Familie zwischen beiden Kontinenten, aber vor allem – und hier unterscheidet er sich von vielen unserer Gäste – in Deutschland. “Die Zahnbürste steht in New York. Ich wollte immer unbedingt eine Firma in den USA gründen. Aber es macht für uns auf lange Sicht überhaupt keinen Sinn, nur dort zu leben. Ich bin Deutschland-Fan. Für den Normalbürger ist das Leben hier so scheiße angenehm, verglichen mit den USA.”

Was man wirklich braucht, um eine international erfolgreiche Agentur zu bauen, was Pills, Porn & Casino mit Tims Investment in Spotify zu tun haben, und warum er in einem der ältesten Häuser Nordrhein-Westfalens aufgewachsen ist – all das und mehr in dieser 52. Folge, der Premiere von Wunderbar Together in Kölle.

 

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